thorsten tenberken artist
Text frank amling
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Kopfgeburten und Projektionen - Zu den Arbeiten von Thorsten Tenberken von Frank Amling
Unter den Augen einer phlegmatischen, in medialer Völlerei erstarrten Öffentlichkeit hat sich der Kapitalismus breit und breiter gemacht, auch die kleinsten Nischen besetzt, noch die letzten Ressourcen an sich gerissen. Längst gehorcht alles öffentliche Denken und Handeln der Logik der Konkurrenzökonomie. Die einst als frei titulierten Disziplinen Wissenschaft und Kunst bilden da keine Ausnahme. Während der letzte Akt der Privatisierung der Universitäten und des öffentlichen Kulturwesens erfolgreich zu Ende gespielt wird, kauern die Intellektuellen und Künstler dieses Landes höfisch devot vor ihren Gönnern – den Sponsoren, Redakteuren, Verlegern, Galeristen – und bitten um Einlass in die große Welt, in der Hoffnung auch einmal am Promibüffet naschen zu dürfen.
Entsprechend lapidar in seiner Zielsetzung präsentiert sich dann auch das Gros der zeitgenössischen Kunstproduktion, so dass der Besuch von Vernissagen und Ausstellungen nicht selten zu einem intellektuellen und ästhetischen Spießrutenlauf gerät. Einerseits tropft es vor betulicher Empfindsamkeit, die über verlorene Utopien, fehlgegangene Liebesdinge, Schaffensdrang und Genialität schwadroniert, als hätte man Goethe niemals totprügeln müssen, während sich andererseits die Ästhetik in dekorativem Gekleckse verliert, das man mit den üblichen verhuschten Bildbeschreibungen und reichlich postmodernem Rhabarber in den Katalogtexten intellektuell etwas aufzumöbeln versucht. Nun könnte dieser Überschuss an Romantizismus, ideologischer Projektion und Gefühligkeit bei gleichzeitigem Mangel an Relevanz und Intelligenz natürlich ein dankbares Thema für die künstlerische Arbeit darstellen, aber wer scheißt schon da, wo er isst?
Aufblende 1: Ein Landschaftsmaler pinselt bei strahlend blauem Himmel eine Wolke auf die Leinwand. Die Wolke, ganz und gar nicht einverstanden mit der Banalität ihrer Existenz, verschafft sich Zutritt zur Realität und terrorisiert ihren Schöpfer, jagt ihn über Wald und Flur, bis sie sich am Ende selbst aus der Welt wäscht, in der der Maler wie ein begossener Pudel zurückbleibt.
Aufblende 2: Eine Wiese. Ein weiterer Landschaftsmaler baut seine Staffelei auf, beginnt zu arbeiten. Ein zweiter Maler, dem ersten wie aus dem Gesicht geschnitten, kommt ins Bild, postiert sich hinter seinem Vorgänger und beginnt dessen Arbeit zu kopieren. Ein dritter Doppelgänger tritt auf und imitiert das Verhalten seiner Vordermänner, ein vierter komplettiert die Reihe, bis es dem Vordersten zu dumm wird. Er packt die Staffelei zusammen, räumt seinen Platz und stellt sich ans Ende der Reihe, die nun den zweiten Maler nötigt, die Rolle seines Vorgängers zu übernehmen.
So treffend wie hier sieht man die gleichgeschalteten künstlerischen Befindlichkeiten und die daraus resultierende grassierende Ideenarmut selten beschreiben. Die Rede ist von „En plein air“ (2008) und „Fugato“ (2009), zwei Video-Kurzfilmen aus den „Painter Stories“ von Thorsten Tenberken. Wie in all seinen Videoproduktionen verkörpert Tenberken auch hier den Verblendeten selbst und zelebriert dabei so etwas wie einen erfolgreichen Exorzismus. Wer den Idioten spielt, der hat ihn an den Eiern und ist nicht mehr dazu verurteilt, selber einer zu sein. Dieses Prinzip wendet er schon in seiner Installation „Die Rose der Symbiose“ (2000/2006) an, in der er sich in zahlreichen Video-Loops als Forscher Livingsten mit einem Dschungel aus Alltagsgegenständen herumschlagen muss und dabei vom positivistischen Wissenschaftsmythos nicht mehr als einen Kadaver übrig lässt. Kopfgeburten und Projektionen sind Lieblingsthemen Tenberkens. In „Wildwechsel“ (2009) animiert ein Jäger Spaziergänger dazu, Tiere des Waldes nachzuahmen, nur um sie nach gelungener Vorstellung genüsslich zu erschießen.
Thorsten Tenberken filmt, malt, zeichnet, klebt, bastelt, fotografiert, installiert und inszeniert. Sein Werk ist beseelt von einer Lust an der Auseinandersetzung, die gar nicht anders kann als dem herrschenden Gejammer die Gefolgschaft zu verweigern und auf Veränderung zu drängen.
Einigen Zeitgenossen freilich wollen sich seine Arbeiten partout nicht erschließen. Der Grund hierfür liegt in Tenberkens Vorliebe für das Komische, einer in der Welt des Erhabenen nach wie vor geächteten Form. Zu Recht natürlich, denn die Komik ist ihrem Wesen nach anarchisch, während das Erhabene selbst in seinem kritischen Ausdruck, dem Weltschmerz, die Sinnhaftigkeit des Bestehenden bejaht. Thorsten Tenberken hingegen sagt nein. Ihm ist zuzustimmen.
Frank Amling (08/2011)
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